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Reisebericht: Degustation, Organisation // Youleshan 28.-29. März 2019

Teehaus in einem Garten in Jinghong, wo wir ab und zu unsere Muster degustierenZwischen den Besuchen der Teewälder in Yunnan sitzen wir im Hotelzimmer oder im Café. Wir degustieren, diskutieren und warten. Bis anhin dachte ich, dass der Tee eingepackt, angeschrieben und versendet wird, ganz einfach und selbstverständlich. Nun wird mir bewusst, welche organisatorischer Aufwand hinter jenen Tees steckt, die ich üblicherweise zu dieser Zeit in Bern einfach auspacken kann.
Die Degustation: Zhang Xiuru ist in der Gruppe zuständig für die Zubereitung des Tees. Sie bereitet jeweils zwei bis vier Tees vor, die mit Nummern versehen und dann blind platziert werden. Alle Beteiligten sollen unvoreingenommen degustieren und beurteilen können. Die Kriterien sind klar:

  1. Beurteilung der trockenen Blätter: Farbe, Form, Substanz, Duft
  2. Beurteilung der aufgegossenen Blätter: Farbe, Form, Substanz, Duft
  3. Beurteilung des Aufgusses: Farbe, ist der Aufguss trüb oder klar
  4. Beurteilung der verschiedenen Aufgüsse in Nase und Mund: Aromen, Nachhaltigkeit, Abgang, Konsistenz, Dichte, Ausgewogenheit, Komplexität, Speichelfluss
  5. Analyse: Nach dem dritten Aufguss wird der Tee nach oben genannten Punkten analysiert. Jede Person gibt die persönliche Wahrnehmung preis, anschliessend wird diskutiert. Weng Liping verfügt über die grösste Erfahrung und spricht zuletzt. Er analysiert gleichzeitig den Tee und die Analysen insbesondere von Kaspar Lange und Zhang Xiuru, weil er die beiden unterrichtet.
  6. Entscheidung / weiteres Vorgehen: Sind die Muster schon aktuell, wird entschieden ob der Tee eingekauft werden soll, ob die Hersteller des Maocha vertrauenswürdig sind, ob Qualität und Preis übereinstimmen, ob sich das Terroir im Aufguss bestätigt. Sind die Muster noch nicht aktuell, wird notiert, was später noch degustiert werden soll, ob Potential vorhanden ist und was noch nachgefragt oder verhandelt werden muss.


Die Zeit vergeht wie im Flug: vier, acht, zwölf oder mehr Tees werden ausführlich degustiert. Ich persönlich gelange momentan nach der zweiten Runde an meine Grenzen. Die Degustation fordert grosse Aufmerksamkeit. Ich erinnere mich an frühere Trainingslager, es fühlt sich ähnlich an. Die Fähigkeit, bei jeder einzelnen Degustation auf alle Punkte acht zu geben, kann man sich nur durch Übung aneignen. Der Druck die richtigen Schlüsse zu ziehen ist hoch, denn es geht um hohe Summen und wertvolle Tees. Kaspar Lange kann sich mittlerweile auf seine Sinne verlassen und lernt, in seine Analyse zu vertrauen, das ist wichtig. Ohne Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten ist die Teeauswahl emotional sehr belastend. Insbesondere dann, wenn das Herzblut mitschwingt und Offenheit und Ehrlichkeit unser Schaffen bestimmen. Ich habe grössten Respekt vor dieser Gruppe ganz unterschiedlicher Menschen, vor ihrer Haltung der Welt, den Menschen, der Natur gegenüber. Die aussergewöhnlichen Fähigkeiten, die sich die vier aneignen, um sich zu orientieren, um sich zu behaupten, um die Schönheit zu finden – auf allen Ebenen. Ich bin von Dankbarkeit erfüllt, denn diese Arbeit ist von grosser Bedeutung, für uns alle. Systeme durchbrechen mit Liebe und Herz, mit Ernsthaftigkeit. Wir sprechen über Tee und meinen das Leben an sich.

Der Tee liegt bereit zur BegutachtungDie Aufgüsse, für die Degustation bedienen sich alle selbstDie aufgegossenen Blätter, durch Befühlen wird die Qualität der Blätter beurteilt


Zum Sonnentrocken ausgelegte Blätter verströmen einen warmen, süssen DuftZwischen den Degustationen – Die Organisation: degustiert und ausgewählt werden die Maocha (unfertiger Tee). Die Erntezeit kann, bedingt durch Wetter und geografische Lage, variieren. Unsere Reise hingegen wird bald weitergehen. Muster werden nach Shanghai geschickt, doch die Organisation des Pressens, der Verpackung und des Versendens sollte vor der Abreise stehen. Weng Liping, Chen Sanmao und Zhang Xiuru sind mit mehreren Personen gleichzeitig im Kontakt – per Wechat (chinesisches App wie Whatsapp). Wer kann den Tee wann wo abholen und wohin bringen? Wer ist wirklich vertrauenswürdig und kann die Koordination selbständig übernehmen, wo soll eine Vertrauensperson hingeschickt werden, wer ist diese Vertrauensperson und hat sie zeitlich Kapazitäten? Wo entscheiden wir uns für’s Vertrauen obwohl wir nicht 100%ig sicher sind, ganz einfach weil es nicht anders machbar ist?
Gleichzeitig beschäftigen vermeintlich banale Fragen wie: wer fährt uns wann wohin, haben wir eine Begleitung oder müssen wir einen Chauffeur organisieren, ein Chauffeur ist teuer, wollen, sollen, müssen wir uns das leisten. Wenn wir schon vier Stunden Autofahren, gibt es weitere Stationen, die wir am gleichen Tag besuchen können? Wie teilen wir unsere Kräfte ein, wann gibt es eine Pause?
Gleichzeitig wird die Weiterreise geplant, rollend, denn jeden Tag gibt es neue Informationen, welche die weitere Organisation beeinflussen: Wann können wir nochmals zum Nannuoshan? Die Grünteernte hat begonnen. Wann genau reisen wir wo hin? Qing Ming, das Totenfest „Klares Licht“, fällt vor ein Wochenende, das ist ein Problem. Die originalen Dörfer für Long Jing haben dann ihre Erntezeit, gleichzeitig bewegen sich an den freien Tagen unendlich viele Chinesinnen und Chinesen in diese Richtung, die Strassen, Züge und Flüge werden blockiert sein. Tees werden aufgekauft, die Preise sind hoch. Normalerweise löst sich diese Menschenmeng nach Qing Ming wieder auf und die Preise sinken. Dieses Jahr folgt auf das Fest direkt das Wochenende, die Preise bleiben hoch und die Produzenten wollen möglichst alles verkaufen. Werden sie Tee für uns beiseite legen? Wenn ja, müssen wir kaufen ohne vorher probiert zu haben. Sollen wir vertrauen? Haben wir eine andere Möglichkeit? All diese Fragen gilt es zu klären: telefonieren, schreiben, dranbleiben. All diese Fragen begleiten uns während den Degustationen und auch während den Besuchen in den Teegärten. Alles gleichzeitig, alles schnell, alles wichtig. Ich darf beobachten und berichten, doch schon beim Schreiben, beim Erzählen dreht sich mir der Kopf. Und wieder bin ich beeindruckt, voller Respekt und Dankbarkeit. Wir haben grosses Glück gemeinsam mit Weng Liping, Chen Sanmao und Zhang Xiuru unterwegs zu sein. Länggass-Tee hat unglaubliche Tees im Sortiment, dank der Leidenschaft von Kaspar Lange und dank seiner Kontakte, die zu Freundschaften werden, durch das gemeinsame Reisen und Schaffen, durch die gemeinsame Liebe zum Tee und zu den Menschen.

Li Zeshun legt die Blätter aus zum Welken, der Besen im Vordergrund steht für die Sauberkeit des AteliersUnter den grünen Blätter finden sich einige rötliche, die für alte Varietäten sprechenDie frisch erhitzten Blätter werden von Hand gerolltDie Blätter werden im sorgfältig eingebauten Wok erhitztNach dem Rollen werden die Blätter zum Welken in der Sonne ausgelegtDie Gäste bereiten den Tee im Empfangszimmer oft selber zu


Auch hier gibt es zwischen wilden Pflanzen einen kleinen BachUnd wieder ein Teegarten: gestern durften wir in das verhältnismässig nahegelegene Dorf Yanuozhai am Youleshan fahren. Dort treffen wir Li Zeshun, einen weiteren Hersteller von Maocha, und besichtigen seinen Teewald. Youleshan beheimatet ein altes Teeanbaugebiet. Während der Qing-Dynastie wurde dort Tee für den Kaiser produziert. Dies drückt sich auch im alten Teegarten aus,: der Garten wurde bewusst angelegt, um viel Tee zu produzieren, im vergleich zu den Gärten am Nannuoshan viel enger beieinander, gradliniger. Rund um das Dorf Youle wurden in den 80er Jahren, wie um Yiwu, viele Urwälder gerodet und Plantagen angelegt. Heute ist diese Region weniger gesucht, weil hauptsächlich Tees aus kleinen Büschen hergestellt werden. Li Zeshuns Teewald liegt zu weit abgelegen, zu hoch oben am Berg. Deshalb blieb der Wald mit den alten Teebäumen erhalten. Wir klettern hoch, der Weg ist steil und rutschig, doch wir schaffen es. Oben angelangt sind wir glücklich und gerührt: der Urwald ist lebendig, es hat unglaublich hohe Bäume rund um die Teepflanzen, der Boden ist grün, es wachsen Farn und Gras, die Teebäume sind alt und kraftvoll, jedoch nicht sehr hochgewachsen. Li Zeshun ist aussergewöhnlich, weil er nicht aus der Region stammt. Er hat gemeinsam mit seinen Brüdern aus Liebe zum Tee beschlossen, einen schönen Wald zu suchen, das Land zu mieten, Haus und Produktionsstätte zu bauen und ins Dorf zu ziehen. Wieder bestätigt sich, dass die Qualität dort zu finden ist, wo die Liebe zum Produkt und zur Natur, zum Terroir die treibende Kraft ist.

Tina Wagner Lange, 30. März 2019 in Jinghong (Xishuangbanna)

Der Teewald ist so steil, dass wir es kaum den Berg hoch schaffen und noch gar nicht wagen an den Abstieg zu denkenKaspar Lange unter alten TeebäumenSehr hohe Bäume umgeben und schützen die Teebäume im Wald vor zuviel Sonnenlicht

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