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Teegeschichte 32

Obwohl in unserem Haushalt grundsätzlich nur Schwarzteebeutel der billigsten Sorte aus der Migros vorrätig waren und meine Eltern – insbesondere meine Mutter – zu der Sorte Leute gehören, die nur dann Tee trinken, wenn sie krank sind, hatte ich bereits als Kind eine unerklärliche Vorliebe für dieses Getränk. Eine dampfend heisse Kanne Tee gehörte für mich zu einem entspannten Nachmittag oder Abend, insbesondere während der kalten Jahreszeit. Als Teenie war ich begeistert von den neu aufgekommenen, aromatisierten Teemischungen – je süsser und künstlich-intensiver im Geschmack desto besser, lautete damals meine Devise. Mandel mit Sahnekaramell war einer meiner Favoriten.

Doch dann – ich kann nicht mehr sagen, wann und wo genau – landete irgendwann mal ein wirklich guter Darjeeling First Flush in meiner Tasse. Das war eine Offenbarung. Ich realisierte, dass all dieses zusätzliche Brimborium gar nicht notwendig ist. Dass es den eigentlichen Geschmack des Tees regelrecht erdrückt und dass dessen vielfältige Welt subtiler Aromen mich viel mehr fasziniert. In diesem Moment wurde Tee zu einer Leidenschaft, die mich immer mehr in ihren Bann zog. Ich begann alle Informationen zum Thema, denen ich habhaft werden konnte, zu verschlingen. Mein damaliger Freund schenkte mir Kakuzo Okakuras „Buch vom Tee“ – er hatte es auf dem Flohmarkt gesehen und dabei an mich gedacht. Eine Lektüre, die ich zu diesem Zeitpunkt nur ansatzweise verstand – die mich jedoch faszinierte und mir klar machte, dass Teegenuss tiefer geht und mehr als nur die kulinarischen Freuden umfasst.

Als ich nach Abschluss meines Studiums als Assistenzärztin zu arbeiten begann, wurde mir allseits prophezeit, dass mich diese Tätigkeit garantiert vom Tee- zum Kaffeegenuss bekehren würde, anders wäre diese strenge Zeit gar nicht zu überleben. Doch weit gefehlt – statt den lauwarmen Filterkaffee zu trinken, der auf jeder Spitalabteilung herumstand, stattete ich mein Büro mit einem Wasserkocher aus. Dass ich nun auch etwas mehr Geld zur Verfügung hatte als während des Studiums, erlaubte es mir – „Kolonialwarengeschäft Schwarzenbach“ und „Reichmuth von Reding“ seien Dank – in etwas höhere Sphären des Teegenusses aufzusteigen. Erst in dieser Zeit lernte ich neben den Schwarz- auch Grün- und Oolongtees zu schätzen. Meine erster Kontakt mit Grüntee war nämlich ein qualitativ schlechter und viel zu heiss aufgegossener Sencha gewesen – kein Wunder, dass ich nach diesem bitteren Gebräu in den darauf folgenden Jahren einen grossen Bogen um alles machte, was irgendwas mit Grüntee zu tun hatte. Nochmals ein paar Jahre später bin ich zu meinem neuen Freund und jetzigen Mann nach Bern gezogen. Bald erkannte ich, dass ich hier im Teehimmel gelandet bin – der „Teeladen Länggasse“ hat mich in seinen Bann gezogen! Nicht nur, dass ich hier eine so faszinierende und hochwertige Teeauswahl gefunden habe wie sonst nirgendwo, nein, auch das Hintergrundwissen – das ich mir zuvor mühsam zusammensuchen und erarbeiten musste – wurde mir hier plötzlich auf dem Silbertablett serviert. Ergänzt mit Insiderwissen, zu dem man als Privatperson, die nicht im Teehandel tätig ist und auch kein Chinesisch oder Japanisch spricht, kaum Zugang hat. Doch das Allerbeste am Teeladen ist etwas ganz anderes: Die Gewissheit, dass man nicht alleine ist. Dass es – selbst in diesem Land, wo einem gar nach einem Gourmetdiner häufig ein lauwarmer Beuteltee vom Lipton zu den Friandises gereicht wird – andere Menschen gibt, welche die Begeisterung und Faszination für Tee mit einem teilen!

Alexandra Röllin
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