Reisebericht Japan 2025: Teekeramik und Kunsthandwerk


Tee und Keramik, Besuch beim französischen Japan Tea Instructor
Wir sind unterwegs zum Tee, mit dem Tee, besuchen LieferantInnen und ProduzentInnen, sehen Teegärten und Teefabriken. Jeden Schluck trinken wir aus einer Tasse, jeder Tee wird in irgend einer Art Kännchen aufgegossen. Auch im Teeladen in der Länggasse ist Teegeschirr ein wichtiger Teil des Geschäfts und der Ästhetik der Räume. Selbstverständlich wird Teekeramik auch im entstehenden Buch über japanischen Tee ein Thema sein. Hier geht es einerseits um die Qualität des Getränkes, denn neben den Teeblättern und dem Wasser ist die Beschaffenheit der Gefässe von grossem Einfluss. Andererseits geht es um Ästhetik, um das Empfinden von Schönheit, um die Wertschätzung der Handarbeit, des Kunsthandwerkes.
So war es klar, dass ich auf dieser Reise Augen und Ohren offen halten würde in Bezug auf Teegeschirr. Von verschiedener Seite haben wir auf dieser Reise gehört, dass Teekeramik und Teeanbau viele Schwierigkeiten gemeinsam haben: Immer mehr MeisterInnen und ProduzentInnen hören altersbedingt auf, immer weniger junge Menschen übernehmen die Nachfolge. Viele Teefelder werden nicht mehr bewirtschaftet - wir haben überall Felder mit hoch gewachsenen, stehen gelassenen Teebüschen gesehen - und es gibt weniger Kunsthandwerk.
In Tokyo haben wir uns mit Florent Weugue von Thés du Japon darüber unterhalten. Er ist einer der wenigen westlichen Japan Tea Instructor und führt in seinem Laden in Tokyo ein ausgewähltes Sortiment an japanischem Teegeschirr von ausgesuchten Keramik-KünstlerInnen. Natürlich hat er auch ein sehr schönes Teesortiment aus allen Teeregionen Japans. Wir diskutieren auch über die beiden berühmten Gyokuro-Regionen Uji und Yame und weshalb die kräftigen Yame-Tees heute so gefragt sind und die sanften Uji-Tees etwas in der Hintergrund getreten sind. Die Gyokuro aus Yame gewinnen meistens die Wettbewerbe, weil sie fester gerollt sind und dadurch ein schöneres, regelmässigeres Blatt haben, dazu duften sie viel stärker aufgrund der durch das Trocknen mit hoher Temperatur entstandenen Röstaromen. Gyokuro aus Uji sind weicher, sanfter, würziger.


Tee aus Hoshino geht zusammen mit Keramik aus Hoshino
Ein paar Tage später, auf dem Weg nach Hoshino, eine schöne Überraschung. Da wir zum ersten Mal mit dem Bus ins Dorf Hoshino reisen (und nicht wie bisher mit dem Taxi oder per Auto gefahren werden), müssen wir von der Bushaltestelle unten im Tal die kurvige Strasse auf den Hügel zu Fuss gehen. Da fällt mir ein schönes Haus auf, darüber die Schriftzeichen Hoshinoyaki und etwas nicht auf den ersten Blick verständliches. Hoshinoyaki, Gebranntes aus Hoshino, das heisst in Hoshino gebrannte Keramik, soviel ist klar.
Ich trete ein in einem Raum, schön eingerichtet, an allen Wände Gestelle mit Keramik, wunderschön. Vasen, Gefässe, Tassen, aber auch ganz eindeutig Teegeschirr - Chawan, Kyusu, Hohin, Samashi…Niemand ist da, ich rufe, eine Frau erscheint. Wir verständigen uns mit meinem rudimentären Japanisch, was wunderbar funktioniert - es ist oft einfacher, wenn kein/e Übersetzer/in daneben steht, tiefergehende Fragen sind allerdings nicht möglich. Sie führt mich nach hinten, um mir den Noborigama zu zeigen, den Holzofen, mit dem sie und ihr Mann die Stücke brennen. Heute ist es schön spät, ich erkläre ihr, am nächsten Nachmittag wieder zu kommen.

Nach dem Besuch bei Hoshino-Seichaen kommen wir erneut hierher, der Künstler erwartet uns schon draussen, so scheint es. Ich packe mein bestes Japanisch aus und erfahre, dass der Ofen und die Firma Jugomorigama genannt wird, nach dem nahe gelegenen Wald. (Das wäre die zweite Zeile mit den nicht auf den ersten Blick verständlichen Schriftzeichen über dem Eingang). Später entdecke ich ein Ausschnitt aus einer Zeitschrift, auf Englisch. Maruta Shuichi fokussiert auf die Wiederbelebung des Hoshinoyaki-Stils, der berühmt war für Yuhi Yaki, Brennwaren mit Sonnenuntergangsfarbe. Hoshino florierte als Teeproduktionsdorf, so war Teekeramik selbstverständlich ebenfalls teil der dörflichen Wirtschaft. Heute gibt es inklusive den Jugomorigama nur noch drei Öfen im Dorf. Maruta-san ist bekannt für Kushime Yohen; ersteres meint Kamm-Spuren, letzteres die Kunst, Farben im Ofen zu kreieren. Das ist natürlich ausserhalb der Kontrolle des Künstlers, die Natur macht die Farbe. Mit der Erfahrung und dem Gespür für den Ofen, der Auswahl des Tons, das Legen von Stroh um die Stücke vor dem Brennen und die Position im Ofen kann der Künstler einiges beeinflussen. Das Ergebnis sind rötliche, fast regenbogenartige verschiedenfarbige Stücke. Noborigama ist ein Holzbrandofen, die Keramik wird unglasiert gebrannt, Farben und Glasuren entstehen durch Ascheanflug. Vieles ist unkontrollierbar, viel Ausschuss entsteht. Einmal pro Jahr wird gebrannt.











Japanische Porzellanproduktion in der Abgeschiedenheit von Kyushu
Wieder einige Tage später, nach dem Besuch der Teegärten und der Teefabrik in Ureshino, fahren uns Kazuhisa und Vera nach Imari, genauer ins Dorf Okawachiyama. Es ist Sonntag, die Auktion auf dem Teemarkt ist erst am Montag, die Saison der frischen Tees hat noch nicht wirklich angefangen; so haben sie Zeit heute. Imari ist bekannt für bemalte Porzellane, also glasierte Keramiken aus hellem Ton. Imariyaki, Brennwaren aus Imari. Die Gegend an der Westküste von Kyushu hat von alters her enge Handelsbeziehungen mit China und von dort lange schon Porzellan importiert. Nach dem Ende der Song-Dynastie und den folgenden unruhigen Zeiten wurde die Lieferungen aus China spärlicher. Mithilfe (eher unfreiwillig nach Japan gebrachter) koreanischer Töpfer wurde in Imari eine japanische Porzellanproduktion aufgebaut. Der Nabeshima-Clan, der über die Gegend herrschte, verlor im Krieg gegen den Shogun und musste als Entschädigung jahrelang Porzellan als Tribut entrichten. Damit niemand das Geheimnis des Stils von Imari respektive der Porzellanproduktion erfahren konnte und um die Produktion an einem Ort zu konzentrieren, liess er ein Dorf abgelegen in den Bergen errichten - Okawachiyama. Ohne Kosten zu scheuen, wurden dort edelste bemalte Porzellanstücke hergestellt. Heute ist Okawachiyama weiterhin ein Porzellanproduktionsort, ein schmuckes Dörfchen mit allerlei Läden mit Porzellanstücken, von einfacher Gebrauchskeramik bis zu Kunstwerken. Wir kaufen einige einfachere Teetassen und kehren dann in den Laden zurück, der uns am meisten fasziniert hat. Taisengama produziert Porzellane in wunderbarer Qualität, Vasen, Küchenutensilien, Sakegefässe, und natürlich auch Teegefässe wie Chawan und Yunomi. Und hier scheint auch der Generationenwechsel zu klappen, die junge Tochter führt die Tradition der Mutter weiter.








Besuche bei einem Teemeister und einer Keramik-Meisterin
Den Schluss unserer Reise verbringen wir in der Region Kansai mit den beiden grossen Städten Kyoto und Osaka. Wir treffen unsere japanischen Mitarbeiterin Leiser-Nakamura Hitomi, die hier im Urlaub weilt. Für das entstehende Teebuch über japanische Teekultur besuchen wir Kimura Soshin, einen Teemensch, der den Chado lehrt. Westlich ausgedrückt, ein Teemeister der japanischen Teezeremonie. Er selber will diese Begriffe nicht so eng sehen. Es gehe vielmehr um Aufmerksamkeit, Gastfreundschaft, Wertschätzung - das können wir eigentlich alle. Eine Schale Tee ist alles, eine Schale Tee ist nichts.
In Iga unweit von Kyoto hat Watanabe Aiko ihren Anagama, wohl die urtümmlichste Art Holzofen. Sie produziert im Shigaraki-yaki-Stil unglaubliche Chawan, Yunomi-Teetassen und Sake-Cups, alle von aussergewöhnlicher Ausstrahlung. Wir sind schon lange mit Aiko bekannt, Toby Hurschler durfte vor zwei Jahren bei einem Brand dabeisein. Zusammen mit Hitomi besuchen wir Aiko und gehen zum Abendessen mit der Sakebrauerin Rumiko, eine Freundin von Aiko und auf ihre Art auch eine Künstlerin. Zwecks sensorischer Weiterbildung lassen wir uns gerne von Rumiko verschiedene Sacke servieren.




Kunsthandwerk in Kyoto und Österreich
Für die letzten Tage hatte ich noch T. Nishikawa und Seikado angeschrieben, zwei Firmen in Kyoto, die hochwertiges Kunsthandwerk produzieren. T. Nishikawa produziert vor allem Porzellan, Kyo-yaki und Kiyomizu-yaki. Die Geschäftsführererin in dritter Generation, Nishikawa Kyoko, lädt uns kurzerhand an einen offiziellen Anlass in ihrem Showroom ein. Anlässlich der Expo in Osaka kooperiert Nishikawa mit der Kunsthandwerk-Plattform Meisterstraße aus Österreich. Ich freue mich, Kayoko wiederzusehen und in aller Kürze stellen wir unser Buchprojekt vor und machen Bekanntschaft mit allerhand interessanten KunsthandwerkerInnen aus Österreich. Unter anderem einen Keramiker, der einen Anagama-Ofen in Österreich betreibt… Seikado stellt aussergewöhnliche Werke aus Metall her. Vasen, Sake-Gefässe und auch einiges für Tee aus Silber, Zinn, Kupfer,. Messing. Wasserkocher aus Messing, innen versilbert. Teekännchen aus Zinn und Silber, Schalen zum Teeblätter präsentieren, Natsume für Macchapulver…Wir werden wie vor zwei Jahren von Suito Fumi empfangen, die uns dem Inhaber in siebter Generation Yamanaka Genbei vorstellt, den ich zum ersten Mal treffe. Auch hier wieder, hochspezielisierte Menschen, die wunderbare, fast möchte man sagen vollendete Kunsthandwerks-Stücke herstellen.
Jeden Schluck Tee aus einer edlen Tasse geniessen…
Nun sind wir auf dem Weg nach Hause, bald startet die zweite Reise: sie führt das weitere Buch-Team nach Japan. Judith Gmür-Stalder, Maurice K. Grünig sowie Robin Oberholzer nutzen die geführte Teereise mit Lukas Lange, um Japan und seine Teewelt zu erkunden. Judith kreiert Rezepte, während Maurice als Fotografin wirkt und Robin sich inspirieren lässt für die Gestaltung des neuen Buches.
Vergleiche zu Besuchen bei T. Nishikawa und Thés du Japon im Jahr 2023 den Reisebericht Kyoto, Tokyo 2023 (Der Link führt auf unsere alte Webseite (nicht mehr aktuelles Zertifikat ignorieren)
Kaspar Lange, April 2025



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