Neue Holzbrandkeramik aus Jianshui
Während unserer Einkaufsreise im Frühling trafen wir in Jianshui, einer kleinen Stadt im Norden von Yunnan, unsere Freundinnen Yi und Hui. Jianshui ist berühmt für ein glattes, dunkles Steinzeug. Yi und Hui sind hier aufgewachsen und führten uns ein paar Tage in der Keramikwelt herum. An unserem zweiten Tag besuchten wir Langgui Chaishao, ein Studio für Holzbrandkeramik.
„Studio“ ist allerdings eine Untertreibung, es handelt sich eher um ein etabliertes Institut. So werden beispielsweise durch die Produktion von Keramik taubstumme Menschen zu TöpferInnen ausgebildet, man forscht zum Holzbrand und bietet umfangreiche Kurse für Schüler und Erwachsene an. Der gesamte Komplex umfasst etwa ein Dutzend Gebäude, die vor Altbauindustriecharme sprühen. Ein kleiner Mikrokosmos mit Gemüseanbau und Kleintierhaltung zur Selbstversorgung. „Chaishao“ bedeutet Holzbrand und „Langgui“ ist der Spitzname des Gründers Xiao Chunkui, ein berühmter Keramikmeister aus Jianshui.
Xiao ging in den 90er Jahren bei Ma Chenglin in die Lehre, um das Jianshui-Zitao-Handwerk zu erlernen. Seitdem erhielt er zahlreiche nahmhafte Auszeichnungen für seine Arbeiten. Xiao ist bekannt für seine bionischen Werke; viele seiner Teekannen imitieren alten Bambus oder knorrige Äste. Neben seinem künstlerischen Schaffen ist er in der Branche sehr aktiv und hat mehrere Keramikzentren in der Region gegründet, die hunderte von Menschen in Keramikproduktion und -dekoration ausgebildet haben. 2016 baute er mit seinem Team diese Anlage auf einem 17 Hektar großen Gelände etwas ausserhalb der Stadt aus: das „Langgui Jianshui Pottery Culture Centre“. Die Einrichtung soll die Kultur und Produktion der Jianshui-Keramik fördern.
Ein junger Chinese, Herr Yang Xuehui, empfängt uns und führt uns durch die Anlage. Wir laufen zusammen die Produktionsschritte ab. Bis auf den Abbau des Rohtons machen sie nahezu alles selbst. Vor der Tonaufbereitungshalle liegen grosse Haufen aus fünf verschiedenen, rohen Tonerden. Auf den Hügeln stehend, sehen wir in nicht allzu weiter Ferne den Abtragungsort, von dem dieses Gestein stammt. Eine Eigenheit der Jianshui Keramik ist das Mischen dieser fünf verschiedenen lokalen Tonerden zu einer Masse, die gebrannt steinähnliche Keramiken ergeben. Der ungebrochene Ton wird hier aufwendig aufbereitet und gemischt, um die gewünschten Eigenschaften zu erreichen. Die Zusammensetzung muss fein abgestimmt sein, um den extremen Bedingungen während des Holzbrands standhalten zu können.
Weiter auf dem Rundgang kommen wir durch dutzende verwinkelte Räume, in denen Menschen an Drehscheiben arbeiten oder halbfertige Teekannen mit Henkel versehen.
Herr Yang führt uns vorbei an Unterkünften, einer Küche für die vielen ArbeiterInnen, Ateliers für farbige Tonintarsien, Büros und schliesslich zu den Holzbrandöfen. Auf der Anlage befinden sich insgesamt sechs davon. Es sind nicht die archaischen Anagama Öfen aus Lehm und Stein, die wir aus Japan kennen, sondern moderne Holzbrandöfen wie sie oft auch in den USA gebaut werden. Dank ihrer Bauweise brauchen sie viel weniger Holz; sind einiges effizienter. Herr Yang öffnet uns einen Ofen, der gerade am Auskühlen ist. Ein leises und helles klinkern von der abkühlenden Keramik tönt aus dem tiefschwarzen Raum.
Am Ende des Tages verbringen wir einige Stunden damit, im Lager Stücke für den Laden auszuwählen. Die Auswahl ist überwältigend. Jedes Stück, das aus dem Ofen kommt, ist einzigartig. Je nach Brennatmosphäre und Position im Ofen entstehen verschiedene Ascheanflüge und Brandspuren, die die Oberfläche des Tons prägen. Manche Stücke weisen dick geschmolzene Ascheglasuren auf, andere nur zarte rötliche Verfärbungen auf dem Ton.
Moderne Holzbrandkeramik erfreut sich auch in China zunehmender Beliebtheit und bestimmte Glasureffekte sind besonders gesucht und entsprechend teuer. Zurzeit im Trend und besonders geschätzt werden metallisch glänzende oder perlmuttartig schimmernde Oberflächen, die das Spiel von Licht und Schatten verstärken. Manche versuchen die Effekte zu kategorisieren, darunter „roter/schwarzer Granatapfel“, „Blitzgold“ oder „Blitzsilber“. Doch die Ergebnisse von Flugasche sind zu divers, um sie in Schubladen zu zwängen. Bei längerer Betrachtung eines Stückes komme ich nicht umhin in poetischen Allüren zu verfallen. Die halbgeschmolzenen Texturen verleihen den Stücken eine einzigartige Atmosphäre. Es wird der Eindruck erweckt, die Gegenstände seien von der Natur selbst per Zufall geschaffen worden.
Solche Qualitätszuweisungen unterliegen der Mode und variieren. Alle besitzen individuelle Vorlieben. Wie sind wir also vorgegangen, um die Stücke auszuwählen? Nun ebenso individuell. Unsere Erfahrung mit den verschiedenen Holzbrandtraditionen in Japan, Jingdezhen und Europa gelten uns als Referenz. Ob sie eine Landschaft evozieren, die eine bestimmte Stimmung widerspiegelt, oder ein leuchtender blauer Tropfen, der ins Auge fällt. Die Wechselwirkungen auf der Teekeramik verleiht ihnen den besonderen Charakter.
Da es sich um Gebrauchsgegenstände handelt, ist die Balance im getöpferten Objekt selbst entscheidend und den Oberflächenmerkmale gleichwertig. Die Entscheidungen beim Drehen, bzw. Abdrehen kommen hier zutage. Jedes Stück vermittelt ein bestimmtes Gefühl – balanciert, stimmig, schlaff, plump. Bei der Auswahl wurde besonders auf das Gleichgewicht in der Hand geachtet.
Alle ausgewählten Stücke sind im Teeraum von Länggasstee ausgestellt und können vor Ort gekauft werden.
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